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Football-Ernährung: Expertenmeinung von Philipp Riebe (Ernährungsberater, Personal Trainer und Physiotherapeut)

Philipp Riebe, der in seiner Jugend selbst American Football gespielt hat, ist selbstständiger Physiotherapeut, Personaltrainer und Ernährungsberater und weiß worauf es bei der richtigen Ernährung ankommt.

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Wie müssen sich Offensive und Defensive Linemen ernähren, um sowohl ihre Körpermasse zu erreichen als auch die notwendige Schnellkraft zu gewährleisten?

Darüber schreiben wir in diesem Beitrag

Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, da die Frage Masse und Schnellkraft als die 2 Faktoren benennt.
Schnellkraft ist ein Faktor, der aus einer maximalen Beschleunigung (entsprechend hohe Maximalkraft) resultiert, also ein Faktor, der durch Training beeinflusst wird.

Beim Masseaufbau sind Formeln aus dem Bodybuilding und/oder Powerlifting relevant. Um etwas Masse als Schwungmasse zu haben, aber trotzdem explosiv zu sein, wäre ein Körperfettanteil von 20% erstrebenswert. Mehr Muskulatur würde natürlich die Masse noch erhöhen.
Jedoch zeigt sich im Bodybuilding, dass nicht die reine Eiweißaufnahme wichtig ist, sondern die Aminosäurepeaks, die man alle 3 Stunden erzeugen sollte (0,8 g pro Kilogramm Magenmasse).

Möchte man anaerob Energie erzeugen, wie die ATP-Resynthese beim Football ja ausschließlich stattfindet, müssen ausreichend Kohlenhydrate aufgenommen werden. Trainiert man mehrmals am Tag oder jeden Tag, muss darauf geachtet werden, dass innerhalb von 4 Std. nach dem Training eine große Menge kurzkettiger Kohlenhydrate aufgenommen wird.

Fett als dritter wichtiger Makronährstoff sollte als „Füllmittel“ genommen werden. Bei einem hohen Körpergewicht, einer hohen Muskelmasse und einem hohen Trainingspensum (der Magen sollte beim Training annähernd leer sein) wird es ohne Fett schwierig werden, den Energiebedarf zu decken und gleichzeitig das Nahrungsvolumen niedrig zu halten. Darüber hinaus wird der Körper mit den essentiellen Fettsäuren versorgt. Für mich würden sich daraus 2 Extreme ableiten:

  1. Zwei Trainingseinheiten am Tag, an dem 5000 kcal aufgenommen werden müssen:
    • 200 g Eiweiß = 800 kcal
    • 240 g Fett = 2200 kcal
    • 500 g Kohlenhydrate = 2000 kcal
  2. An trainingsfreien Tagen müssen die möglicherweise leeren Glykogenspeicher aufgefüllt werden. Aufgrund des niedrigen Kaloriengehalts von Kohlenhydraten und dem hohen Nahrungsvolumen sollten an diesen Tagen mehr Kohlenhydrate aufgenommen werden:
    • 200g Eiweiß = 800 kcal
    • 60g Fett = 550 kcal
    • 900g Kohlenhydrate = 3650 kcal

Reduziert sich die unterschiedliche Ernährung nur auf die Häufigkeit und den Umfang der Mahlzeiten oder ist es sinnvoll auch die Zusammensetzung der Ernährungen auf die einzelnen Positionen zuzuschneiden?

Ich denke ein unterschiedlicher Ernährungsplan für jede Position ist nicht notwendig. Alle Positionen fahren beim „Set-Hut“ des Quarterbacks auf 150 % und betreiben dadurch Glykolyse für die Millisekunden bis zum Tackle. Dem geschuldet, benötigt jeder Footballer eine erhebliche Menge an Kohlenhydraten. Im Gegensatz zu den Linemen ist es für Receiver wichtiger, dass der Körperfettanteil möglichst gering ist. Es sollte deshalb eine engmaschige Überwachung stattfinden. Die Physiologie bleibt aber bei allen anaeroben Sportarten mit einer hohen Körper- bzw. Muskelmasse gleich.

In einigen Quellen heißt es, die Ernährung von Footballern sollte zu 30 % aus Fett bestehen. Diesen Umstand sieht man vor allem Positionsgruppen wie den Wide Receivern oder den Cornerbacks nicht an. Wie setzt sich deren Ernährung zusammen?

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Da die beiden Positionsgruppen eine hohe Maximalkraft in den Beinen ohne viel Muskelmasse benötigen, ist die Eiweißzufuhr nicht so wichtig wie bei den Positionen, deren Trainingsziel es ist, Muskelmasse aufzubauen. Dadurch, dass die absolute Zahl an Eiweiß geringer ist, kann die relative Prozentzahl an Fett bei Receivern im Vergleich zu den Linemen beispielsweise, sogar höher sein. Auch brauchen sie Kohlenhydrate als anaeroben Energieträger in erhöhtem Maße nur in den Beinen. Deshalb ist der Bedarf an Kohlenhydraten oft geringer als bei den Linemen, die sowohl mit den Beinen schieben als auch mit den Armen blocken und pushen. Jedoch sollte der Unterschied nur marginal sein, da beide Positionen wirklich dauerhaft sprinten.

Nehmen Football Spieler generell Nahrungsergänzungsmittel? Wenn ja, welche?

Um, wie oben beschrieben, die Speicher zwischen zwei Trainingseinheiten bzw. bis zum nächsten Tag schnell aufzufüllen, werden oft normale Weight Gainer verwendet. Dies sind zum Beispiel Kohlenhydrat- und Eiweiß-Präparate, die Maltodextrine enthalten und somit sehr schnell aufgenommen werden. Speziell für die schnelle Resorption von Eiweißen können hydrolysierte Proteine oder BCAA’s verwendet werden.

Als Fette können MCT’s (Medium Chain Triglyceride) genommen werden, die schnell resorbiert werden oder auch kurzkettige Fettsäuren, die nicht mit anderen Fetten über die Lymphen via Chylomikronen transportiert werden, sondern direkt im Blut löslich sind.
Die Nahrungsergänzungsmittel sind mit denen vom Bodybuilding identisch.

Gibt es spezielle Nahrungsergänzungsmittel, die Sie beispielsweise einem Linebacker, aber keinem Lineman raten würden?

Nein. Die Energiebereitstellung ist, wie gesagt, identisch und der wichtigste Parameter ist die
Trainingshäufigkeit und die Zielsetzung.

Sind Steroide im Football ein Thema? Wenn ja, ab welchem Level an Professionalität?

Ja, sind sie auf jeden Fall. Die Dunkelziffer ist hier sicherlich recht hoch. Der Gebrauch beginnt schon in den untersten Ligen. Während meiner Zeit in der Jugend-Aufbauliga wusste ich allein von 3 Spielern aus meiner Mannschaft, die sich Steroide injiziert haben. Später in der Herrenmannschaft war mir dies bereits nach kurzer Zeit von vier Mitspielern bekannt. Und das, obwohl wir in der sechsten von sieben Ligen gespielt haben.

Es ist zu erwarten, dass der Druck in den höheren Spielklassen noch einmal deutlich zunimmt und Steroide somit für die Spieler noch attraktiver sind.

Die Positionsgruppen Quarterback, Kicker und Punter bringen viele verschiedene Typen hervor (Ben Roethlisberger, Cam Newton, Tom Brady). Gibt es für diese Positionen spezielle Ernährungstipps?

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Davon kann man nicht ausgehen. Die einzige Aufgabe des Kickers beispielsweise ist es, durch eine maximale Beschleunigung den Ball mit einer maximalen Kraft zu treffen. Für den Kicker bedeutet dies, er benötigt ein geringes Körpergewicht und eine maximale Kraft, um eine maximale Beschleunigung zu gewährleisten. Deshalb sollte ein Kicker auf einen geringen Körperfettanteil achten und Maximalkrafttraining betreiben. Wie er sich ernährt, hat dann nur noch wenig Einfluss auf seine Leistung.

In seiner Kolumne/ Blog erzählt der ehemalige Defensive Lineman der NY Giants Markus Kuhn, dass jeder Spieler eine bestimmte Gewichtsspanne vorgegeben bekommt, die am Ende jeder Woche kontrolliert wird. Wie die Spieler dieses Gewicht erreichen, ist jedem selbst überlassen, solange die körperliche Bestleistung abrufbar ist. Genießen die Spieler tatsächlich so viele Freiheiten bei der Wahl ihrer Ernährungsweise?

Diese Aussage zeigt eigentlich schon, wie genau die Vereine auf die Ernährung ihrer Spieler achten. Eigentlich gar nicht, wenn die Leistung stimmt. Man könnte sagen „ja, sie genießen die Freiheiten“, aber, sind das wirklich „Freiheiten“? Der Spieler ist eigentlich gezwungen sich mit dem Thema Ernährung intensiv auseinander zu setzen, da er Energie, d.h. Kohlenhydrate zur Erreichung seines Leistungsmaximums, braucht. Um das ideale Körpergewicht zu gewährleisten, muss er die richtige Dosierung an Eiweißen finden und gleichzeitig darauf achten, den Körperfettanteil in Maßen zu halten, um die sportliche Leistung nicht unter der Gewichtszunahme leiden zu lassen.

Der Druck, der auf den Spielern lastet, die es nicht schaffen ihre Ernährung zu kontrollieren, verleitet geradezu zum Steroide-Missbrauch.

Im American Football spielt die Regeneration eine wichtige Rolle. Gibt es dafür auf die einzelnen Positionen zugeschnittene ernährungsphysiologische Maßnahmen? Wenn ja, wie sehen diese aus?

Auch hier, würde ich auf die Physiologie und auf andere Sportarten verweisen. Wichtig sind insbesondere drei Faktoren. Zum einen die Häufigkeit des Trainings, welche den Energiebedarf und somit den Bedarf an Kohlenhydraten bestimmt, zum anderen in welchem Maße Muskelaufbau betrieben werden soll, d.h. wieviel Eiweiß aufgenommen werden muss und ob generell Körpermasse auf- oder abgebaut werden soll, sprich in welche Richtung man die Fettaufnahme reguliert. Diese Faktoren treffen jedoch auf jede Position zu. Ansonsten sind natürlich wie bei allen Sportarten Mineralien und Vitamine als Coenzyme relevant. Besonders hervorzuheben sind B-Vitamine, die als sogenannte neurotrope Vitamine einen wichtigen Beitrag zur Nervenregeneration beitragen und somit bei maximalen Belastungen essentiell sind.

Auch Omega 3 Fettsäuren im Alphalinolen-Eicosanoide-Prostaglandin-Stoffwechsel mit ihrer entzündungshemmenden Wirkung sind wichtig. Sie werden in fast allen Sportarten oft vernachlässigt. Generell kann man hier auf Supplemente mit kurzkettigen Makronährstoffen zur schnelleren Resorption zurückgreifen.

Wie würden Sie die Wichtigkeit des Trainings im Verhältnis zur Ernährung beurteilen. Im Bodybuilding sagt man beispielsweise, 30 % Training und 70 % Ernährung. Gelten im Football andere Regeln?

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Das Verhältnis 30 % Training zu 70% Ernährung hätten Laien gerne als Antwort, wenn Sie nach einem idealen Verhältnis fragen. Die Profis antworten mit: “Die Ernährung ist 100% und das Training ist 100%.” Im Bodybuilding sind Training und Ernährung 2 Faktoren, die sich gegenseitig potenzieren. Das eine geht ohne das andere nicht. Der entscheidende Erfolg beim Football ist vom „Auge“ abhängig. Man muss die Gegenspieler „lesen“ können und aus Erfahrung und Training heraus wissen, was der Gegenspieler als nächstes macht. Die Ernährung ist ein entscheidender Faktor bei der Regeneration und erst im weiteren Verlauf bei der Gestaltung des Körperbaus. Dementsprechend würde ich hier die Zahlen umdrehen und sagen, Training ist 70% und Ernährung 30%.

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